Ich nehme Bezug auf unser Telephongespräch vom 27.3.2001, in dem Sie mir die Benutzung Ihres Stadtarchivs definitiv verweigerten. Ich nehme Ihre Entscheidung mit allergrößtem Befremden zur Kenntnis.
Wie ich Ihnen mitteilte, handelt es sich bei unserer Archivarbeit um ein Projekt, das ich mit der Klasse 11a des hiesigen Gymnasiums bearbeite und das sich unter anderem mit Fremd- und Sklavenarbeitern in den Gemeinden Gersthofen, Gablingen, Langweid, Batzenhofen und Hirblingen beschäftigt und die Lebensbedingungen dieser Fremdarbeiter analysieren soll.
Wenn ich Sie richtig verstanden habe, dann begründeten Sie Ihr Verbot damit, dass durch eine solche Forschungsarbeit „Personen und Firmen der Stadt Gersthofen an den Pranger gestellt werden“ sollen.
Ich habe Ihnen versichert, dass dies keineswegs der Fall sei und habe Sie auf das Archivgesetz (GVBl 1989, S. 710) verwiesen, das einen Persönlichkeitsschutz (90 Jahre ab Geburt bzw. 10 Jahre nach Tod) bzw. von nichtpersonenbezogenem Schriftgut (30 Jahre) vorsieht. Bei jeder Benutzung des Archivs bestätigt der Benutzer per Unterschrift die Einhaltung dieser Schutzbestimmungen.
Hiermit sehe ich keinen stichhaltigen Grund, weshalb Sie mir die Benutzung Ihres Archives verweigern könnten und fordere Sie hiermit nochmals auf, wenn nicht den Schülern, so doch mir eine Benutzung des Archivs zu gewähren.
Die Argumentation Ihrerseits, nach dem Tode von Personen sei der Schutz der Interessen der Verstorbenen nicht mehr gewährleistet, zielt am Sachverhalt vorbei und würde jegliche Archivarbeit für alle Zeiten unmöglich machen.
Mit dem Projekt „Fremdarbeiter in Gersthofen“ soll seitens der Schüler auch ein Beitrag zur rationalen Aufklärung der Geschichte der Stadt Gersthofen geleistet werden, wie dies bereits bei den Ausstellungen „Gersthofen im Nationalsozialismus zwischen Anpassung, Resistenz und Widerstand“ sowie „Gersthofen nach 1945: Auswirkung von Migrationsprozessen auf den Nahraum“ erfolgte, die beide ein beträchtliches Echo in der überregionalen Presse erhielten. Es kann nur im Sinne der Stadt Gersthofen und der hier ansässigen Firmen sein, sich der Geschichte und ihrer Aufarbeitung zu stellen.
In diesem Sinne bitten wir Sie dringend, Ihre Entscheidung zu revidieren und uns den Zugang zu Ihrem Archiv zu ermöglichen.
Dem Auszug aus der Arbeit von Herrn Kucera (Fremdarbeiter und KZ-Häftlinge in der Augsburger Rüstungsindustrie, Augsburg 1996) mögen Sie entnehmen, dass die Nennung von Firmen zum Thema „Fremdarbeiter“ absolut nicht den Archivbestimmungen widerspricht und ganz im Sinne eines übergeordneten Forschungsinteresse zur Aufklärung einer interessierten Öffentlichkeit erfolgt.
Wenn in unserem Falle eine Verweigerung der Nutzung des Archivs erfolgt, so muss man daraus eher schließen, dass die Gemeinde Gersthofen an einer rationalen Aufklärung der Geschichte der Fremdarbeiter nicht interessiert ist und eine solche eher zu verhindern trachtet.
Wir bitten Sie, sehr geehrter Herr Bürgermeister, Ihre Entscheidung nochmals zu überprüfen bzw. uns die Gründe Ihrer Entscheidung nochmals zu erläutern.
Mit freundlichen Grüssen
Dr. Bernhard Lehmann
und die Klasse 11a des Paul-Klee-Gymnasiums Gersthofen.